Siebter Beitrag

Dienstag, 19. Dezember 2006

Bloggen

Gasteiner, Martin/Krameritsch, Jakob: Schreiben für das WWW: Bloggen und Hypertexten, in: Schmale, Wolfgang (Hg.): Schreib-Guide Geschichte, 2. Aufl., Wien 2006 (UTB), S. 243 – 271.

Alle Zitate entnommen aus oben genanntem Text.

Blogs zeichnen sich durch eine leichte Handhabung aus; zudem ist ihnen die Eigenschaft inhärent, Lust auf das Schreiben und Publizieren zu evozieren. Der kreative Prozess zeichnet sich auch dadurch aus, dass das Schreibexperiment eindeutig auf ein Lesepublikum ausgerichtet ist. Was das Lernen mittels Blog betrifft, ist die Tatsache erwähnenswert, dass sich besagtes Lernen in so genannten informellen Szenarios vollzieht.
Bedeutsam ist, dass sich, bedingt durch die Durchsetzung des Computers in Alltag und Wissenschaft, die Art und Weise des Schreibens selbst ändert - man/frau kann vom Siegeszug der kurzen Form sprechen; gespickt sind diese Texte oft auch von Andockmöglichkeiten (Schlüsselbegriffen), die eine assoziative Bezugnahme ermöglichen. Zum Medium wird der Computer dadurch, dass er die Möglichkeit einer Vernetzung mit der "Außenwelt" (eben durch das WWW) bietet.
Im Folgenden geht der Autor auf die Kennzeichen von Weblogs ein; dabei handelt es sich um regelmäßig aktualisierte Websites, eine Mischform von persönlicher Homepage und Diskussionsforum. Programmierkenntnisse sind keine vonnöten, die Einträge werden rückwärtschronologisch abgebildet. Wichtig ist auch die Möglichkeit, sich auf bestimmte Einträge zu beziehen; hier ist vor allem die so genannte "Trackbackfunktion" zu erwähnen, durch die der/die BloggerIn informiert wird, falls ein Text von ihm/ihr zitiert wird. Oft sind Einträgen auch "tags" zugeordnet, die den Eintrag an ein übergeordnetes Verzeichnis melden. Erwähnt wird auch die RSS-(Real Simple Syndication) Funktion.
Nun zum Bloggen selbst: Der Autor spricht von einem bestimmten "Blogger-Stil", der von Seiten der AutorInnen Experimentierfreudigkeit voraussetzt, im Vordergrund steht dabei auch die Vernetzungstätigkeit - im Blog geht es schließlich auch darum, mit einer Gemeinschaft zu "dialogisieren". Der Autor spricht vor allem den "sozialen Aspekt" des Bloggens an: Dadurch, dass durch das uneinheitliche Geschichtsstudium, durch den Zeitdruck und bedingt durch etwaige Nebenjobs die Sozialkontakte im Studium stark eingeschränkt sind, können eben diese Sozialkontakte vielleicht durch eine Weblog-Gemeinschaft kompensiert werden.
"Ein etabliertes Netzwerk kann über einen längeren Zeitraum bestehen bleiben, weil es ortsunabhängig ist - ein unschlagbarer Vorteil der elektronischen Kommunikation!" (S. 236)
Erwähnt wird auch die Möglichkeit, Weblogs als Plattform, als Gedächtnisstütze (durch darin aufgenommen Links z.B.) zu nützen. Beim Bloggen handelt es sich aber auch um eine Möglichkeit, Schreibprozesse und Bewusstwerdungsprozesse zu reflektieren (der Autor spricht hier Sensibilisierung und Querverbindungen als Schlagwörter an). Weblogs werden nicht umsonst auch als "social software" bezeichnet, da sie immer auch auf eine bestimmbare Teilhabe an Meinungsbildungsprozessen und sozialpolitischen Positionen verweisen. Ein wichtiger Satz in diesem Zusammenhang:
"Das Interesse an historischen Fragen ist immer durch unsere Gegenwart, durch unsere Lebenswelt, mitbestimmt" (S. 238).
Weblogs können und sollen als persönliches Archiv benutzt werden, Einträge können dabei als Gedächtnisstütze dienen, da selbst vage formulierte Gedanken Diskussionen anregen können - Gedanken, die vielleicht sonst als Sackgasse und unnützes Wissen in einem Rechercheprozess angesehen worden wären. So kann man/frau auch lernen, diskursorientiert zu schreiben und auch mit Kritik umzugehen. Weblogs können sich auch in punkto AutorInnenschaft unterscheiden lassen - handelt es sich um einen/eine einzelneN AutorIn oder eine Gruppe; bei Gruppen kann zwischen offenen und geschlossenen unterschieden werden. Als Kollaborationsumgebung eignet sich ein Weblog hervorragend, weil der Arbeitsprozess für alle klar durchschaubar bleibt. Vor der Publikation eines Weblog-Textes müssen Fragen des UrheberInnenrechts und der Angemessenheit des Eintrags bedacht werden, meint der Autor abschließend und gibt einige Tipps, wie man/frau auch kostenlos zu einem Weblog kommen kann.

Kommentar:
Anfänglich wollte ich meinen Beitrag mit einem Zitat aus Bukowskis Erzählung "Fuck Machine" beginnen, habe die Idee dann aber verworfen. Witzig wäre es allemal gewesen, aber wahrscheinlich doch eher ein bisschen unpassend für eine Geschichte-Hausübung. Was hier auch aufgeworfen wird, ist die Frage, wie salopp Blog-Einträge gehalten sein können. Was ich interessant fand, waren die vom Autor empfohlenen Ressourcen. Zufall oder nicht: Der erste Artikel, der unter http://adresscomptoir.twoday.net/stories/3068366 (Download: 15.12.2006) aufgerufen werden konnte, war justament ein Blog-Eintrag, der eine Empfehlung für das Buch ausspricht, in dem auch der von mir kommentierte Artikel erschienen ist.
"Eine ebenso wichtige Frage, der Sie sich an diesem Punkt stellen sollten, ist, wie viel Information Sie von sich selber in einem Weblog ablegen wollen. Es ist möglich, dass Informationen, die aus Ihren Gedanken und Haltungen bezogen werden, benutzt oder missbraucht werden könnten. Versuchen Sie also persönliche Informationen so knapp wie möglich zu halten und vertraulichen Informationen keinen Platz im Weblog zu geben", (S. 241)
heißt es im Text. Der Historiker Jan Hodel, dessen Blog unter Ressourcen ebenfalls empfohlen wird, macht aber eigentlich genau das, indem er seinen Lebenslauf für alle klar ersichtlich ins Netz stellt. Ist das nicht eigentlich auch schon zu persönlich? Nebenbei gesagt fällt leider sofort auf, dass die beiden Blogger zwar sehr engagiert sind und fast jeden Tag einen neuen Beitrag posten, sich die Kommentare aber leider eher in Grenzen halten. Scheinbar ist das Bloggen noch nicht wirklich als Medium der Wissens(re)produktion angesehen, ob Klischee oder nicht, ich kann mir vorstellen, dass viele honorige Professoren und Professorinnen wahrscheinlich bis an ihr Lebensende eher nur die Allmacht der wissenschaftlichen Monographie akzeptieren werden können.
Besonders interessant fand ich den Ansatz des Autors, dass Bloggen auch eine bestimmte Teilhabe an Meinungsbildungsprozessen und sozialpolitischen Positionierungen beinhaltet, was für mich absolut stimmt, da Wissenschaft und (vor allem) die Geschichtsschreibung niemals Selbstzweck sein kann (und darf) und immer im Kontext auch unserer eigenen Lebenswelt, der Gegenwart betrachtet werden muss. Der einzig negative Aspekt, der in diesem Zusammenhang vielleicht beachtet werden müsste, ist der, dass der vom Autor skizzierte durchs Schreiben vermittelte Lernprozess auch Fehler beinhalten kann (denn durch "trial and error" lernt man/frau ja schließlich) - und diese Fehlern machen eineN für andere auch angreifbar. Nun stimmt es zwar, dass man/frau auch damit mit Kritik umzugehen zu lernen hat. Ich persönlich habe für mich allerdings die Erfahrung gemacht, dass es mir oft sehr peinlich ist, Texte, die ich vor Jahren geschrieben habe, nach langer Zeit wieder zu lesen. Und nun soll ich meine geistigen Ergüsse für alle offen sichtbar ins Netz stellen? Womit ich allerdings nicht die Sinnhaftigkeit der Idee dahinter abstreiten möchte, ich will nur zu bedenken geben, dass vielleicht eine nicht unwesentliche psychologische Hürde überwunden werden muss.
Was den Argumentationsstrang betrifft, dass Weblogs fehlende "reale" Sozialkontakte ersetzten können, kann ich allerdings dem Autor nicht ganz zustimmen. Weblogs sind in diesem Sinne ja nicht mehr als ein schlechtes Substitut für zwischenmenschliche face-to-face Kommunikation. Ein :) wird niemals ein wirkliches Lächeln ersetzen können. Zudem finde ich, muss anderswo angesetzt werden: Richtigerweise bemerkt der Autor, dass der Zeitdruck hoch ist, und dass aufgrund der vielen Prüfungen, die abverlangt werden und auch aufgrund der Studiengebühren. Es sollte nicht der Sinn der Sache sein, sich so gut wie möglich mit den immer schlechter werdenden Studienbedingungen zu arrangieren, sondern eher dafür zu sorgen, dass es gar nicht erst so weit kommen muss, in virtuelle Netzwerke zu flüchten, wie der Autor empfiehlt. Da nun wiederum der ominöse Autor ins Spiel gebracht wurde, muss ich nun auch zum einzig wirklichen Kritikpunkt des an sich interessanten Textes, der auch einige spannende weiterführende Fragestellungen enthielt, kommen: Irgendwie finde ich es seltsam, einen Text kommentieren zu müssen, den der Mensch, der meine Hausübung benotet, verfasst hat, und zwar für das Buch, welches der Lehrveranstaltungsleiter dieser Pflichtlehrveranstaltung herausgegeben hat.

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