Dritter Beitrag

Sonntag, 5. November 2006

Europaquellen

"Europaquellen" - eine Rezension

Zu finden unter:
http://www.univie.ac.at/igl.geschichte/europaquellen/

Die MitarbeiterInnen am Projekt „Europaquellen“ sind deutlich ausgewiesen: Mit der Signalfarbe Gelb unterlegt werden sowohl Projektleiter als auch MitarbeiterInnen namentlich genannt (es gibt auch einen Biographien-Bereich); das Projekt ist von der Gerda-Henkel-Stiftung in Düsseldorf gefördert – ob es sich bei dieser Stiftung auch gleichzeitig um die Auftraggeberin handelt, wird leider nicht gesagt. Die Frage nach der institutionellen Bindung der Seite ist nicht eindeutig zu beantworten; dadurch, dass die Seite aber über www.univie.ac.at/ aufzurufen ist, liegt die Vermutung nahe, dass „Europaquellen“ an die Universität Wien gekoppelt ist – vor allem auch deswegen, weil alle MitarbeiterInnen momentan entweder an der Uni Wien lehren oder studieren. Sowohl zu den Quellen des 16. als auch zu denen des 17. Jahrhunderts wird akribisch angeben, wie sie zu zitieren sind – was die Seite für wissenschaftliche Arbeit ungemein nützlich macht. Außerdem sind die Quellen auch gut aufgearbeitet: Sowohl der Fundort wird festgehalten als auch eine Kurzbiographie des Quellenautors, eine genaue Interpretation des Textes als auch allenfalls verwendete Sekundärliteratur ausgewiesen. Interessant ist dabei, dass die Aufbearbeitung der Quellen aus dem 16. Jahrhundert „outgesourct“ worden ist; es ist nämlich die Universität München, die sich mit ihnen beschäftigt. Diese Feststellung ist wahrscheinlich auch gleichzeitig die Antwort auf die Frage nach dem wissenschaftlichen Dialog mit anderen ForscherInnen und Wissenschaftsportalen.
„Europaquellen“ beschäftigt sich primär mit Europavorstellungen und –begriffen, wobei Drucke aus dem 17. Jahrhundert untersucht wurden. Das 17. Jahrhundert wird dabei als krisenhaftes Jahrhundert angesehen, in dem sich sowohl die Achsen der Weltwirtschaft von Süd nach Nord verlegten als auch Staatenbildungstendenzen zu beobachten waren. Dabei ist die Seite wahrscheinlich eher nicht für Menschen geeignet, die sich noch nicht näher mit der Thematik beschäftigt haben; nur der/die geübte HistorikerIn – und hier eigentlich auch nur die interessierten NeuzeithistorikerInnen – werden mit Josef Köstlbauers Quellenautopsie des Drucks „Marchamont Nedham“ aus dem Jahre 1678 etwas anfangen können.
Untersucht werden wie bereits beschrieben, Drucke aus dem 17. Jahrhundert, wobei das Selektionskriterium die Verwendung von Europa/Europe oder des dazupassenden Adjektivs im Titel des jeweiligen Drucks ist. Als Referenzkataloge wurden dabei der der Österreichischen Nationalbibliothek und der der Bayrischen Staatsbibliothek herangezogen – insgesamt entsprachen dadurch 550 Titel dem Selektionskriterium. Diese wurden schließlich in 18 Teilbereiche unterteilt.
Die Texte sind für das Medium außerordentlich gut aufgearbeitet, die Gliederung ist übersichtlich, die Farben sich nüchtern, nur die fast schon nicht mehr sichtbaren klassischen Gemälde im Hintergrund sind ein Blickfang, wenn auch ein quasi nicht merkbarer. Der Text ist relativ linear aufgearbeitet, was positiv auffällt ist, dass es immer die Möglichkeit gibt durch einen Link zu einer bestimmten Stelle im Text zu kommen (Seitenanfang, Unterkapitel): Es handelt sich also nicht einfach nur um auf eine Webseite gestellte Artikel aus einem Buch; diese wurden zudem auch im Sinne der BenutzerInnen aufgearbeitet.
Falls der/die UserIn begriffliche Verständnisprobleme haben sollte, ist mit dem Link zur Site „pastperfect“ die Möglichkeit gegeben, etwaige Wissenslücken durch die Suchfunktion zu beseitigen. Bei dieser Seite handelt es sich im Übrigen um ein datenbankgestütztes Hypertextnetzwerk, dass ein „assoziatives und gezieltes Navigieren durch Raum, Zeit und Inhalt“ ermöglicht. Was besonders positiv dabei auffällt ist, dass nicht nur eine schnöde begriffliche Definition gegeben wird, sondern auch eine Kontextualisierung durch das Angeben von zu dem Suchbegriff in Relation stehenden weiteren Begriffen passiert. Aber nicht nur mit „pastperfect“ stehen die „Europaquellen“ in wissenschaftlichem Dialog, es können auf der Site ebenfalls Links zu weiteren wissenschaftlichen Datenbanken, Online-Präsentationen und Virtuellen Ausstellungen gefunden werden. Es gibt demnach sowohl externe Links als auch Binnenlinks – ein Wissensraum wurde geschaffen.
Etwas im Dunkeln bleibt dabei die Antwort auf die Frage nach den Forschungsansätzen: Leider konnte ich keine Eigendefinition der ForscherInnen selbst finden. Die Interpretation von Quellen ist sicherlich nicht als bahnbrechend neuer Forschungsansatz in der Geschichtswissenschaft zu bezeichnen; fraglich bleibt nur, ob „Quellenautopsie“ ein darüber hinausgehendes Konzept ist oder nicht. Daher muss ich die „Europaquellen“ wahrscheinlich eher in den Bereich des etablierten wissenschaftlichen Konsens einordnen. Innovativ – wenn auch nicht brandneu – ist aber sicherlich die Erforschung der Ausbildung der Idee und Konzeption von „Europa“ im Sinne einer wirtschaftlichen, politischen, sozialen und ideengeschichtlichen Einheit.
Hsozkult etwa hat die Seite noch nicht rezensiert, es ließen sich im Internet allerdings Verlinkungen auf „Europaquellen“ finden – etwa bei Linksammlungen von universitären Homepages. Was die Aktualisierung der Homepage betrifft, wird schon auf der Titelseite angegeben, dass die Seite im Juni 2001 entstand und seitdem laufend aktualisiert wird; wie oft wird zwar nicht geschrieben, dafür wird aber unter dem Menüpunkt MitarbeiterInnen angegeben, wer die Aktualisierung betreut.
Leider muss gesagt werden, dass das multimediale Potenzial des Mediums Internet eher nicht genützt wurde: Auf Audiovisuelles wurde generell verzichtet. Was mich verwundert ist, dass die besprochenen Quellen nicht eingescannt wurden. Zwar gibt es bestimmte Quellen, bei denn „Quellenautopsie mit digitalisierter Bildquelle“ dabeisteht, dennoch kann kein Bild der Quelle gefunden werden. Oder soll dieser Hinweis etwa nur bedeuten, dass der/die ForscherIn selbst nur mit einer digitalisierten Bildquelle gearbeitet hat?
Was die inhaltliche Struktur der Seite betrifft, können die Quellen sowohl über eine Zeitleiste als auch über einen alphabetisch geordneten Unterpunkt aufgerufen werden, was eine gezielte Suche erleichtert. Grobe Fehler, ja eigentlich Fehler überhaupt, sind mir nicht aufgefallen. Blau und Gelb stellen die Schmuckfarben der Site dar, ansonsten sind die „Europaquellen“ sehr nüchtern gehalten – Herausgehobenes wird in grau unterlegt. Als Schrift wurde die sehr lesbare „Verdana“ verwendet, was dem Lesefluss zu Gute kommt (auch wenn ich persönlich eine „Arial“-Anhängerin bin). Leider konnte ich allerdings keine explizit ausgewiesene Druckfunktion entdecken.
Was das URL-Design betrifft, so kann es ruhig als logisch und stringent beschrieben werden. Zur Ansicht: http://www.univie.ac.at/igl.geschichte/europaquellen/. Es werden dadurch mehrere Dinge klar gemacht: Erstens, dass es ein Projekt ist, welches im wissenschaftlichen Dunstkreis der Universität Wien angesiedelt werden kann. Zweitens, dass es im Zusammenhang mit dem Projekt „Internetgestützte Lehre“ steht. Und drittens, weist der letzte Teil der URL aus, um was es eigentlich geht: nämlich um Europaquellen.
Was besonders positiv auffällt – vor allem für ungeduldige Menschen wie es die Autorin eine ist – ist, dass keine langen Wartezeiten zu verzeichnen waren, es keine nervigen Flash-Animationen gab, die selbstständig aktiv werden. Werbung gibt es, mit erklärbarer Ausnahme der Nennung des Buch, welches im Zusammenhang mit dem „Europaquellen“-Projekt entstand, keine. Dieser Ausnahme ist ein eigener Unterpunkt als auch ein nervendes Pop-Up gewidmet. Mein Verdikt: Unterpunkt ja, Pop-Up nein. Trotzdem: alles in allem eine werbefrei, der Wissenschaft gewidmete Seite.
Was Feeback-Möglichkeiten betrifft, so kann man sich sowohl an die MitarbeiterInnen selbst wenden (deren Mail-Adressen bei den einzelnen Biographien angegeben sind) als auch die eigens gestaltete Feedback-Maske verwenden.
Alles in allem eine sehr übersichtliche und gut gestaltete Website, allerdings wahrscheinlich eher für SpezialistInnen interessant.

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